Besucher des letzten Fourscher Festivals erfuhren am eigenen Leib: Geht es um abgründige Sound-Spektakel mit hoher Dichte und atemberaubender Atmosphäre, bleiben Cardinal Noire Finnlands absolute Meister. Weil das Duo dort jedoch kaum Konkurrenz hat, muss auch sein generelles Weltklasse-Format betont werden. Gut die Hälfte des Sets hatten Kalle Lindberg und Lasse Alander mit neuem Material bestückt. Songs, die ab dem 6. Dezember auf dem dritten Album Vitriol zu hören sein werden – und für deren Präsentation sich die beiden Dark-Electro-Spezialisten auf einen nicht unbeschwerlichen Weg von Lappeenranta in die thüringische Landeshauptstadt gemacht hatten. Das erzählten sie VOLT im Blitz-Interview vor ihren Auftritt Anfang November.
Kalle: Wir sind mit dem Auto nach Helsinki gefahren, dann nach Frankfurt geflogen und von dort mit der Bahn nach Erfurt gekommen. Auf der letzten Etappe gab es einige Probleme, weshalb wir am Freitag erst um 23 Uhr am Hotel ankamen und auf die Warm-Up-Party verzichten mussten.
Lasse: Aber wenn Leute in Deutschland unsere Show sehen wollen, dann kommen wir gerne. Wir machen Musik, seitdem wir 14 oder 15 Jahre alt sind, und haben immer davon geträumt, Shows außerhalb von Finnland zu spielen. Eine Chance wie hier beim Fourscher lassen wir uns nicht entgehen.
Zumal das letzte Album mit Cardinal Noire schon mehr als sechs Jahre zurück liegt ...
Kalle: In der Zwischenzeit habe ich das zweite Protectorate-Album fertiggestellt und damit auch ein paar Shows in Finnland und Estland gespielt. Neben der Arbeit an neuem Material für Cardinal Noire entstanden zudem zwei experimentelle Alben, die in Richtung Death Industrial gehen.
Lasse: Wir haben beide unsere Studios. Und obwohl wir fast Tür an Tür wohnen, arbeiten wir nicht wirklich oft zusammen in einem Studio.
Kalle: Elektronische Musik zu produzieren bedeutet für mich, an den winzigsten Details zu feilen. Wenn dabei eine andere Person neben mir sitzt, würde sie sich schrecklich langweilen – was wiederum Druck auf mich ausübt. Das ist nicht gut für die Konzentration. Ich brauche meine Zeit, damit alles vernünftig wird.
Jetzt habt ihr Vitriol im Kasten und schon ein paar Singles daraus veröffentlicht. Wie lief die Produktion?
Kalle: Die eine Hälfte haben wir im letzten Jahr geschrieben, die andere besteht aus noch etwas älteren Songs. Die wurden natürlich überarbeitet, damit alles wie aus einem Guss klingt und die Produktion up-to-date ist. Wir machen so gut wie alles selbst. Das ist immer auch ein Lernprozess. Stücke, die zwei oder drei Jahre alt sind, klingen für mich schon alt, weil ich mittlerweile besser darin bin, Songs zu produzieren.
Was treibt dich dabei an?
Kalle: Wir kommen aus Lappeenranta nahe der russischen Grenze. In unserer kleinen Stadt sind wir von allem etwas isoliert. Wenn man es aus dieser Perspektive betrachtet, ist mir egal, ob sich jemand unser Material anhört. Ich mache es so oder so und freue mich, wenn es auf Gefallen trifft oder das Interesse eines Labels weckt. Ich liebe Skinny Puppy und den ganzen Kram. Und ich habe das Gefühl, dass ich zu diesem Sound-Kosmos etwas beitragen kann. Darum mache ich Musik.
Zumindest habt ihr in Finnland kaum Konkurrenz.
Kalle: Die Szene ist wirklich klein. In Lappeenranta gibt es ein paar lokale Punkbands. Und natürlich den finnischen Mainstream-Rock. Die wirklich interessanten Acts spielen in Helsinki, das ist gut zwei Autostunden von uns entfernt. Es ist zu anstrengend, für nur eine Show dorthin zu fahren. Ich müsste nachts zurück und wir haben quasi keinen öffentlichen Nahverkehr. Früher war das anders, aber jetzt fehlt mir die Lust auf solche Aktionen. Ich bin zu alt.
Wie sieht es mit Clubs und guter Musik in eurer Ecke aus?
Lasse: Gibt es, könnten aber mehr sein. Auch mir fällt es schwerer, mich von etwas begeistern zu lassen. Richtig gut fand ich zuletzt eigentlich nur die Black Metaller Oranssi Pazuzu. Die haben auch einige elektronische Elemente in ihrer Musik – ziemlich cool.
Kalle: Ich höre sehr selten Musik aus unseren Genres. Ich mag beispielsweise 80er-Synthpop, weil da die Produktionen oft perfekt sind.