[Heyne Hardcore]
Hardcover, 320 Seiten
ISBN: 978-3-453-26847-0
Wo hört Satire auf? Was ist noch Zynismus und was reine Bestandsaufnahme? John Nivens Romane machen es beinahe unmöglich, scharfe Grenzen zu ziehen. Grenzen zwischen dem, was der Schotte selbst beobachtet, erlebt und fühlt, wovon er überzeugt ist und wovor er Angst hat und dem Punkt, an dem er eine gehörige Schippe drauflegt.
Die F*ck-It-Liste ist politische Satire und gnadenloser Thriller – so besagt es der Klappentext seines neuen Buchs. Aber ist sie das wirklich? Ist Nivens Vision von 2026 eine Überzeichnung und jenseits des Vorstellbaren? Diese Frage kann nur mit einem Nein beantwortet werden. Die Weichen sind gestellt, das vor wenigen Jahren noch Undenkbare ist längst eingetreten.
Was ist, was war und was daraus resultiert
Mit einem geschickten politischen Kniff ist es Donald Trump noch während seiner zweiten Amtszeit gelungen, Tochter Ivanka im Weißen Haus zu installieren. Offiziell lenkt sie die Geschicke der USA, doch sein Schatten liegt auch 2026 über dem ganzen Land.
Heißt: Wo „die Mauer“ in weiten Teilen steht, sind Waffengesetze gekippt worden. Wo Amokläufe unter den Tisch gekehrt werden, droht bei Abtreibung der elektrische Stuhl. Während die Pressefreiheit abgeschafft wurde, bekamen Ordnungshüter freie Hand bei der Ausführung ihrer Pflichten: Illegale aufspüren, Minderheiten schikanieren, dafür sorgen, dass nichts in soziale Medien gelangt, was die Realität abbildet. Die USA sind ein Polizeistaat.
Frank Brill gehört nicht zum Gros der weißen Bevölkerung, das Beifall klatscht, für Populismus empfänglich ist, bei dem sich latente Fremdenfeindlichkeit zu unverhohlenem Rassismus ausgewachsen und Egoismus jeden Anflug von Idealismus abgelöst hat.
Der Ex-Zeitungsredakteur hat seine Frau und drei Kinder verloren, ist direkt und indirekt Opfer des Trump-Systems geworden. Als er dann auch noch die Diagnose ‚Krebs im Endstadium' bekommt, fasst er einen Plan. Auf seiner ‚F*ck-It-Liste' stehen die Namen von fünf Männern, die er für sein Unglück verantwortlich macht. Brill kauft sich im Supermarkt eine fette Knarre und zieht los ...
Warum dieser Thriller Angst machen muss
Es ist einfach, dem Autor Zynismus zu unterstellen, seinen beißenden Humor abzufeiern. Nicht viel schwieriger ist es, ihm schlicht ausgeprägten Scharfsinn zu attestieren. Und dass der Lit-Popstar auch hier wieder brillant schreibt, steht komplett außer Frage.
Ein Thriller soll packen, soll Angst machen. Das tut Die F*ck-It-Liste, aber weniger aufgrund der Handlung, sondern deshalb, weil eine absolut denkbare Zukunft skizziert wird.
Womöglich wird in sechs Jahren herzhaft über John Niven und dieses Buch gelacht werden. Das ist wünschenswert, daran zu glauben bedarf aktuell jedoch einer Menge Optimismus.
[Die F*ck-It-Liste, 2020] - LESEPROBE

2006 erschien sein erstes Buch, die halbfiktionale Novelle Music From Big Pink über Bob Dylan und The Band in Woodstock; 2008 landete er mit dem Roman Kill Your Friends – einer rabenschwarzen Satire auf die Musikindustrie – seinen ersten internationalen Bestseller. Es folgten die Romane Coma, Gott bewahre, Das Gebot der Rache, Straight White Male, Old School, Alte Freunde und Kill 'Em All. John Niven schreibt außerdem Drehbücher. Er lebt derzeit in Buckinghamshire, England.
www.randomhouse.de Foto: Erik Weiss | ![]() |