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Wie war der Auftritt? Anfangs hattet ihr mit einigen technischen Problemen zu kämpfen.
Unser Drummer hat sich gestern Abend den Fuß gebrochen. Das sieht wirklich schlimm aus. Er muss damit auch noch ins Krankenhaus. Wir haben noch zwei Shows der Europa-Tour und zwei Monate Tour durch Amerika vor uns – mit nur einem freien Tag zwischendurch. Das ist wirklich ein Problem.
Dafür hat Justin seine Sache heute Abend aber wirklich gut gemacht!
Ja, das hat er, aber genau das macht es noch schlimmer. Wenn man Schmerztabletten nimmt und dann die Show spielt, ist es am nächsten Tag noch schlimmer. Dieses Programm noch zwei Monate, das geht einfach nicht. Wir müssen dafür unbedingt eine Lösung finden.
Offensichtlich müsst ihr euch momentan mit einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten rumschlagen. Ihr hattet Probleme bei der Einreise nach England und konntet den ersten Gig in Bristol nicht spielen. Was war da los?
Es war so unfassbar dämlich und kompliziert. Wir sind von Berlin aus, wo die Tour gestartet ist, nach London-Gatwick geflogen und haben uns währenddessen ein paar Drinks genehmigt. Wir kamen dann dort an, hatten eine Menge Spaß zusammen. An einem der automatischen Einreiseschalter war keine Schlange zu sehen. Man hält einfach seinen Pass drunter, die Maschinen scannen ihn und so sind wir alle rein. Andrew konnte allerdings seinen Pass nicht finden und genau dann kam ein Mitarbeiter des Einreisebereichs auf uns zu und fragte, was wir hier machen würden.
Wir erklärten, dass wir eine Band seien und unsere Pässe von der Maschine am Einreiseschaler gestempelt worden sind. Daraufhin sagte er, dass wir nicht durch den automatisierten Einlassbereich hätten gehen dürfen, sondern den Schalter auf der anderen Seite hätten benutzen müssen, wo ein Mensch den Pass stempelt. Das hatten wir überhaupt nicht gesehen!
Wir fragten, ob wir das jetzt nachholen könnten, was er ablehnte, da wir zu dem Zeitpunkt schon illegal eingereist waren – und dass wir jetzt auch nicht einfach zurückgehen könnten, da wir das Flughafengelände schon verlassen hätten. Wir wiesen darauf hin, dass wir noch im Flughafen seien, aber keine Chance. Er teilte uns mit, dass wir so nicht in England auftreten dürften. Auf unsere Frage, was passieren würde, wenn wir es dennoch täten, antwortete er, dass dann die Polizei kommen und uns verhaften würde. Dann hätten wir nie wieder in UK auftreten dürfen.
Und was habt ihr dann gemacht?
In einem solchen Fall muss man das Land verlassen und wieder einreisen. Mit einem gültigen Stempel. Am nächsten Tag sind wir also nach Frankreich gefahren: die ganze Strecke bis Dover und dann durch den Eurotunnel – mit dem Zug, auf den wir sieben Stunden warten mussten. Kurz darauf wurde uns noch mitgeteilt, dass wir uns mindestens zwei Stunden in Frankreich aufhalten müssten, um wieder legal nach England einreisen zu können. Also noch mal zwei Stunden in Frankreich. So hat unsere Tour begonnen. Zum Kotzen.
Und dann auch noch die technischen Probleme heute …
Ach, das war gar nicht so schlimm. Das war auch eher dafür da, um unserem Drummer kurze Verschnaufpausen zwischen den Songs zu geben, da sein Fuß geschmerzt hat.
„Es ist wirklich großartig, mit Ministry unterwegs zu sein!“ – Alexis Mincolla
Ist euch eigentlich bewusst, dass heute sehr viele Leute da sind, die explizit euch – und nicht nur Ministry – sehen wollten?
Ich versuche mir darüber keine Gedanken zu machen. Ich möchte einfach nur spielen und eine gute Zeit haben. Es ist wirklich großartig, mit Ministry unterwegs zu sein! Ich habe auch keine Lust, darüber nachzudenken, für wen mehr Leute da sind. Wenn ich rausgehe auf die Bühne und da ist ein cooles Publikum, das Bock hat, habe ich einfach Spaß!
Die Bühne heute war vergleichsweise klein und voll mit Instrumenten. Könnt ihr euch damit noch arrangieren? Immerhin wart ihr ja mit Acts wie Tool oder Rammstein unterwegs und habt in riesigen Stadien gespielt.
Es ist mir egal, ob ich vor 20 oder 20.000 Leuten spiele. Oder ob es eine kleine oder riesige Bühne ist. Das interessiert mich nicht. Ich möchte einfach nur auftreten und eine gute Zeit haben.
Es ist kein Geheimnis, dass Ministry großen Einfluss auf dich hatten. Ist Al, nachdem ihr jetzt zusammen unterwegs wart und du ihn persönlich im Alltag kennengelernt hast, noch immer eine Ikone für dich? Oder ist er vielleicht nahbarer, menschlicher geworden?
Das ist er jetzt umso mehr! Bevor wir zusammen auf Tour gegangen sind, hat er mich zum Sushi-Essen eingeladen. Das war das erste Mal, dass wir zusammen abgehangen haben. Wir haben ungefähr zwei Sushi-Teilchen gegessen, dafür aber etwa sieben Flaschen Sake getrunken. Danach mussten wir noch zu seinem Haus und zusammen ein Interview geben. Wir hatten wirklich unglaublich viel Spaß! Und es war ein wenig so, als würde er mich testen, um herauszufinden, was ich für ein Typ bin. Kann er richtig mitziehen? Ist er dann immer noch cool? So was.
Ich sagte ihm dann auch, dass ich ohne ihn nicht das machen würde, was ich heutzutage mache. Er ist vermutlich meine größte Inspirationsquelle. Ich habe Psalm 69 gehört, als ich 14 Jahre alt war. Es hatte einen wirklich großen Einfluss auf die Entwicklung meiner Psyche. Jetzt mit ihm abzuhängen, ihn als Kumpel zu haben, das ist wirklich eine Ehre.
Und, wie ist Al?
Er ist eine wirklich magische Erscheinung. Wenn man ihn trifft, ist es besonders. Er ist einfach auf einer anderen Wellenlänge als andere menschliche Wesen. Wie Keith Richards in etwa. Ich meine, wie kann Richards noch immer so rauchen und trinken? Und er ist trotzdem immer noch der Beste! Al Jourgensen ist aus demselben Holz geschnitzt.
„Ich bin nicht hier, um Krebs auszukurieren, sondern um Rock-Shows zu spielen.“ – Alexis Mincolla
Ihr befindet euch auf eurer bislang ausgedehntesten Tour. Hattest du schon einen Lagerkoller oder bist du noch cool mit allem?
Klar bin ich das! Ich bin ja auch nicht hier, um Krebs auszukurieren, sondern um Rock-Shows zu spielen! Wenn das keinen Spaß macht, was wäre dann der Sinn dabei? Wenn die Leute, die anstrengende Jobs haben, zum Konzert kommen und dort völlig durchdrehen – wenn das mir keinen Spaß macht, hat das Publikum auch keinen. Daher ist es natürlich Spaß für mich – das muss es auch sein!
Ihr seid viel auf Tour. Was war für euch die bisher verrückteste Erfahrung?
Da gibt es so viele Sachen, ich weiß gar nicht, was davon das Verrückteste ist. Das kann ich echt nicht sagen. Es ist ein unendlicher, sich kontinuierlich fortsetzender Wahnsinn.
Dann such dir einfach ein Ereignis aus.
Okay, ich erzähle mal eine jugendfreie Story, die man auch wirklich zu Protokoll geben darf: Es ist für Amerikaner manchmal ein ziemliches Ärgernis, nach Kanada einzureisen. Wenn man einen DUI-Eintrag, kurz für Driving Under The Influence, hat, dann lassen sie einen nicht rein. Chase [Gitarrist] hat dieses Problem. Und außerdem mögen sie dort keine Metal-Bands. Deshalb haben wir uns einmal überlegt, dass es eine gute Idee wäre, sich als Country-Band zu verkleiden. Also haben wir uns alle einen Cowboy-Hut aufgesetzt und dazu diese Blazer und passende Stiefel getragen. So sind wir dann mit unseren Instrumenten an der Grenze erschienen. Unser Bandname klingt ohnehin schon ein wenig nach Redneck – so wie 3 Ts – und so haben sie uns problemlos reingelassen. Es gibt auch irgendwo ein Foto davon. Das war einer dieser Momente, in dem eine wirklich verrückte Idee bestens funktioniert hat!
Im Laufe eurer Karriere habt ihr die musikalische Ausrichtung dezent geändert. Vom elektronischeren Numb-Style eures Debüts über den eher am Stadion-Rock orientierten Sound des zweiten Werks bis zum aktuellen Album Metawar, das euer bisher songorientiertestes und melodischstes ist. War diese Entwicklung ein natürlicher Prozess oder von Anfang an der Plan?
Ich möchte einfach nicht dasselbe Album zweimal schreiben. Da habe ich echt überhaupt kein Interesse dran. Und als Band, die viel tourt und oft mit anderen Bands spielt, fällt es einem leicht, sich von anderen inspirieren zu lassen, wie von den Rammstein- oder Tool-Jungs. Man lernt, was in wirklich großen Locations funktioniert. Vor 20.000 Leuten zu spielen ist wie das Blut eines Drachens zu trinken. Und dann wachst du am nächsten Morgen auf und willst erneut davon kosten. Man wird abhängig davon. Also versucht man Musik zu schreiben, die genau zu solchen großen Locations passt.
Unser drittes Album klingt nach einer Band, die viel zusammen auf Tour war und richtig eingespielt ist. Das war beim ersten Album noch anders. Da haben wir alle zu Hause gehockt und Dateien übers Internet ausgetauscht. Das jetzt ist eine Band, die in einem Raum sitzt, gemeinsam Songs schreibt und als eine Einheit funktioniert. Daher klingt Metawar viel mehr nach einer richtigen Band. Und nach einer, die das Glück hatte, zusammen mit wirklich großen Acts auf Tour zu gehen – und die die verrückte Idee im Kopf hat, irgendwann vielleicht selbst einmal so groß zu werden. Auch wenn es dafür natürlich keine Garantie gibt.
Was wünscht du dir mit 3TEETH für die Zukunft?
Zukunft sollte für uns heißen, dass wir in der Position sind, mit einer Produktionstechnik aufzutreten, wie wir sie uns vorstellen. Immer, wenn man als Opener für jemanden spielt, ist das zwar cool, aber es gibt eine Sache, die man lernen muss: sich dem Hauptact unterordnen zu können. Wenn du nicht möchtest, dass jemand auf deinem Krempel rumtrampelt, und das trotzdem passiert, musst du dir immer vor Augen halten, dass es hier nicht um dich geht. So ist das eben. Es geht um die anderen Typen. Ein bisschen wie Respekt vor den Älteren zu haben. Man platzt also nicht da rein und fragt, wo man auf deren Bühne noch ein paar Lichter aufstellen kann. Man geht die Sache bescheiden an, will dem Hauptact auch nicht die Show stehlen.
Der nächste Schritt für uns ist also die Headliner-Tour im Februar 2020 durch Europa. Da werden wir unsere eigene Produktion dabeihaben. Das wird cool!
https://3teeth.org

Interview: Catrin Nordwig
Livefotos: Daniela Vorndran
