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Blac Kolor -
Endlich sei er mal durch Dortmund gefahren, am Stadion vorbei, freut sich Hendrick Grothe, der mit einem Bier vor dem Djäzz in Duisburg steht: ein Leipziger mit schwarz und (an Bundesliga-Spieltagen) gelb kolorierter Seele. Es ist Samstag, der 25. Januar, Tag zwei des audiophob-Festivals 2020. Und ein schlimmer Abend für die, die es mit den Königsblauen halten.
In wenigen Minuten startet der erste Act, Blac Kolor ist vier Stunden später Headliner. Wir verabreden uns auf ein weiteres Pils (!) nach dem Gig – unter der Bedingung, dass Fußball und alles, was in Richtung Weißbier, Weißwurst, Lederhosen & Co. geht, mit keinem weiteren Wort thematisiert wird.


Dein Auftritt war ganz geil, oder?
Ja! 60 Minuten! Für einen alten Mann wie mich! Ich bin am Ende. Aber es war toll! Es ist immer wieder schön, vor der Familie zu spielen.

Kurz nachdem du hier angekommen bist, hast du Detailfotos aus der Location gepostet. Visuelle Komponenten sind dir wichtig, oder?
Sie stehen für mich auf einer Höhe mit der Musik. Wenn ich in einem Club bin, dann halte ich das auf diese Weise auch für mich fest – dass ich mal da war, damit ich mich erinnern kann. Dafür suche ich mir Stellen, die formalästhetisch funktionieren. Ich fotografiere drauf los und habe einen Posting-Drang: Die Welt soll das sehen! Ich brauche ein Bild zu den Dingen. Im Djäzz war das einfach, hier atmet man Musik.

blac kolor live 2020
Spürst du einen Unterschied zwischen Gigs im Westen und Gigs zu Hause in Leipzig oder generell im Osten?
Vielleicht sind die Leute hier ein bisschen hungriger, weil in Leipzig ein bisschen mehr passiert ... mein Freund und Kupferstecher Daniel Myer weiß da auch einiges zu erzählen. Wenn man in der Heimat auftritt, kommt eher so ein „och, der schon wieder“. Auswärts hat man mehr Kredit. Aber ein Ost-West-Gefälle sehe und spüre ich nicht. Für mich sind die Leute alle gleich geil.

Die Berliner Szene ist noch einmal komplett anders, oder wie hast du das bislang erlebt?
Ja, absolut. Es gibt ein paar Protagonisten, die Techno, EBM und Industrial zusammengeführt haben, Philipp Strobel ist da sicherlich zu nennen. Die Berliner Kids haben einfach einen fetten Sound im Kopf, bringen den auf die Straße und finden eine dankbare Audience. Dort etwas zu machen, ist ungleich einfacher als irgendwo anders. Und wenn man Feedback bekommt, die Leute feiern, dann pusht das noch mehr. In den letzten Jahren ist da eine Energie entstanden, die ihresgleichen sucht. Da brauchte es nur noch jemanden, der alles zusammenführt.
Hier kommt Philipp ins Spiel, der zum Beispiel alte P.A.L.-Sachen wiederveröffentlicht. Die Leute feiern das ab, denken, das sei neue Mucke. Berlin und das Umfeld von aufnahme + wiedergabe sind absolut notwendig für die Weiterentwicklung unserer kleinen Subkultur. Die scheißen darauf, es interessiert sie nicht, was die Altvorderen machen. Die Jungspunde ziehen ihr Ding durch und sind damit international erfolgreich. An jedem Wochenende spielt in mindestens einer europäischen Hauptstadt irgendein Act von aufnahme + wiedergabe. Da können wir alle nur hinterhergucken.

„Die Leute brauchen Schubladen, das macht mich unsicher.“ Hendrick Grothe


Aber mit so einem Set wie heute passt du doch selbst perfekt in die angesagten Techno-Tempel …
Das stimmt sicher. Ich habe auch vor ein paar Wochen bei einem Event im Arena Club in Berlin gespielt. Aber das ist ein Paralleluniversum. Da sind völlig andere Leute, die sind halb so alt wie wir, haben weniger an. Das ist auch Tourismus, das ist international. Die Leute kommen zum Feiern, machen Party und gehen mit einem fetten Grinsen im Gesicht nach Hause.

blac kolor interviewDu hast dich einst in der Szene deplatziert gefühlt. Ist das noch immer so oder bist du mit Blac Kolor angekommen?
Ich blicke oft auf mich selbst und denke, dass das eine oder andere noch nicht richtig ist, dass ich hier nicht wirklich hingehöre. Ich war schon immer sehr selbstkritisch. Ich finde für das, was ich mache, keine Schublade. Aber die Leute brauchen Schubladen. Das macht mich unsicher. Auch wenn mir in den letzten Jahren oft gesagt wird, dass ich meinen Stil gefunden habe, bin ich noch unruhig.

Vielleicht bringt dich genau diese Unruhe auch nach vorn. In so einer Schublade kann es nämlich ganz schön bequem sein …
Wenn ich davon leben müsste, wäre das eine andere Geschichte. Ich brauche diese Schublade eigentlich nicht. Trotzdem habe ich den Drang, mich mit anderen zu vergleichen. Wenn ich Musik produziere, die nach jemand anderem klingt, lösche ich sie sofort. Das ist wie ein Reflex: Gab es schon, muss ich nicht machen. Aber manchmal lasse ich halt die EBM-Bassline drin, wenn sie gut ist, überlege später, ob ich das veröffentlichen möchte. Ein kleiner Kampf mit mir selbst. Bislang bin ich aber konsequent und in meiner Nische geblieben.
Die Hörer reagieren auf bestimmte Muster, tanzen gern auf einen Sound, den sie kennen. Es gibt neue Releases, von Imperial Black Unit oder Schwefelgelb zum Beispiel, die zeigen EBM-Muster, die es schon ewig gibt, aber das ist halt geil. Wenn ich so was dann höre, komme ich schon mal ins Grübeln ...



Aber deine Nicht-Schubladen-Musik wird von sehr renommierten Labels veröffentlicht. Von dieser Warte aus betrachtet, dürftest du keinen Grund zur Klage haben ...
Das habe ich nicht. Ich verdiene mit der Musik zwar kein Geld, mag aber die Labels und die Leute dahinter. Bislang habe ich immer abgelehnt, wenn es um Exklusivität ging. Ein Label allein wäre mir zu wenig. Ich lasse mich lieber treiben und schaue, wohin es mich verschlägt. Im Idealfall kann ich mir immer die meiner Ansicht nach richtige Firma für das jeweilige Release rauspicken.

Das heißt, du sortierst durchaus ein bisschen vor?
Ich versuche schon, meine Musik ganz gezielt unterzubringen. Dem nächsten Release beispielsweise liegt ein glasklares Konzept zu Grunde: Techno für die Floors. Da war sofort klar: Das muss Phil machen, so ein Ding muss bei aufnahme + wiedergabe rauskommen. Ähnlich war es davor mit der Nephi, die bei Ant-Zen veröffentlicht wurde.



Du scheinst ständig im Studio zu sein. Wie bringst du Job, Familie und Musik unter einen Hut?
Die Familie kommt zuerst. Immer. Danach die Musik. Die brauche ich dringend. Das ist wie Benzin für meinen Motor.

„‚Family first‘ gilt für mich nicht nur zu Hause.“ Hendrick Grothe


Und du stehst dann zum Beispiel nach dem Abendbrot auf und verschwindest, während der Rest Tatort schaut?
Bei der Produktion des neuen Albums, das voraussichtlich im Herbst kommt, habe ich mich tatsächlich hin und wieder verabschiedet und bin quasi abgetaucht. Nach vier Wochen war das Ding im Kasten. Zum Glück habe ich eine sehr verständnisvolle Familie, die mitbekommt, wenn sie mich mal loslegen lassen sollte. Dann muss mich aber auch noch die Muse küssen. Nicht immer, wenn ich Bock habe, kann ich auch was machen.

Was macht du heute Abend noch?
‚Family first‘ gilt für mich nicht nur zu Hause, sondern auch hier. Ich mag die Location, die Leute und die Macher. Ich werde mich unter das Publikum mischen, ein paar Bierchen trinken und hören, was musikalisch noch läuft.


www.facebook.com/blackolormusic

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