(K)eine Frau ist eine Blume
Wer sich ungerecht behandelt fühlt, geht bisweilen auf die Straße. Zehntausende haben am 8. März allein in Deutschland für die Gleichstellung von Männern und Frauen demonstriert. In Berlin war der Weltfrauentag 2019 sogar erstmals ein gesetzlicher Feiertag. Gefeiert wurde an diesem Tag aber nicht nur in Berlin, sondern auch in Brooklyn, New York, wenn auch teilweise aus anderen Gründen.
Liz Wendelbo und Sean McBride alias Xeno & Oaklander veröffentlichten dort am Internationalen Frauentag ihr fünftes Studioalbum – in Deutschland erscheint es eine Woche später – und benannten es, zum Teufel noch mal, ausgerechnet nach einer männlichen Gottheit. Hypnos, der altgriechische Gott des Schlafs, avancierte zum Namensspender, doch wer Wendelbo und McBride strukturelle Benachteiligung aufgrund irgendeines Geschlechts nachzusagen versucht, ist auf dem Holzweg.
Die Wahrheit ist: Männliche Sagengestalten haben auf Hypnos keinesfalls das alleinige Sagen, das letzte Wort obliegt sogar Athena, auch Athene genannt, der griechischen Göttin der Weisheit, des Kampfes und diverser Künste, der Beschützerin der Stadt Athen.

Dem Online-Magazin Inverted Audio verriet Liz Wendelbo, weshalb das neue Album von Xeno & Oaklander auf diese mythologische Figur Bezug nimmt. In Athena erkennt Wendelbo eine Symbolfigur des Beginns der modernen Zivilisation, die zugleich eine Rückbesinnung auf die eigenen musikalischen Anfänge verkörpert, unter anderem auf Xeno & Oaklanders erstes Album Sentinelle, das 2009 erschien und auf dessen Cover die Akropolis abgebildet ist, die diesseitige Heimstatt der Göttin Athena.
Auch die bereits vor dem Erscheinungstermin des neuen Albums veröffentlichte Single Angélique erinnert ein wenig an den Titelsong ihres 2009er-Albums. Es ist ausnahmsweise kein Lied über die griechische Mythologie, es handelt von Blumen. Von wilden Blumen, deren Ursprünge weit in die vormenschliche Vergangenheit zurückreichen. Von Blumen, die wie Frauen heißen – oder umgekehrt?
Manches kommt einem zweifellos bekannt vor. Einer Königin der Frauen widmeten Wendelbo und McBride bereits vor mehr als zehn Jahren einen Song: Zurück, veröffentlicht 2006 auf der Debüt-EP Vigils. Anno 2019 besinnt sich das Minimal-Elektronik-Duo also auf seine Anfangstage zurück, inhaltlich wie klanglich. Die Entwicklung geht weg von monophonen, wieder hin zu polyphonen Synthesizern.
Zwischen dem im Reich des Hades hausenden Hypnos und der im Olymp residierenden Athena bietet dieses Album viel Raum für alle möglichen Schattierungen, für Licht und Dunkelheit. Xeno & Oaklander nutzen die gesamte Bandbreite von unterkühlter Melancholie über sanfte Melodien und zackige Rhythmen bis hin zu bewusst herbeigeführten Schrägheiten. Das Ergebnis klingt maximal minimal, so monoton wie polyphon, mitunter wie ein Flüstern im Nichts – alles zu seiner Zeit.
User-Rating:
[2019] [Dais Records] www.xenoandoaklander.com | ![]() | ![]() |